„Wir sehen uns als Dienstleister
in Sachen guter Laune“

Das neue Programm des Duos Mundstuhl ist eine Reise in einen Urlaubsclub. An der „alles inklusive“-Strandbar sitzen altbekannte und neue Charakterpärchen wie Dragan & Alder oder Peggy & Sandy. Es geht wieder zotig zu. Zum ersten Mal treffen sich die Pärchen auch untereinander und es kommt zu merkwürdigen Begegnungen etwa zwischen Dragan und Peggy. Ein Interview mit Ande Werner über Mundstuhls Humorkodex, Improvisationen und Humordienstleistungen.

Frage: Woher holt ihr die Inspirationen für eure Charaktere und Witze?

Es ist ein nichtendenwollender Prozess. Wir hängen auf Tour viel zusammen und da entwickeln sich schon wieder neue Sketche. Wir wollen in die Kerbe reinhauen und nutzen alle Stereotypen. Aber die Charaktere suchen wir nicht, die kommen eher auf uns zu. Wie etwa bei Peggy & Sandy: Peggy hat drei Kinder, ist zweimal geschieden und 23 Jahre alt. Sandy ist 24 und hat auch drei Kinder, die ihr aber schon weggenommen worden sind. Eine ist arbeitslos...

Und wo kommen die auf euch zu?

Zum Beispiel in Talkshows. Wenn man im Hotelzimmer liegt und sich die unsägliche ‚Vera am Mittag’ anschaut, schämt man sich ja fast, zu dieser Gattung Mensch zu gehören.

Aber wie weit darf man da in der Comedy gehen? Eure Charaktere Tick & Tourette habt ihr nach Kritik von Seiten der „Tourette Gesellschaft Deutschland“ aus dem Programm genommen.

Ich halte das für eine bescheuerte Masche der Jungs. Wir haben die Entscheidung auch letztendlich getroffen, weil wir uns nicht jeden Abend mit dem Veranstalter auseinandersetzen wollten. Ich finde es mehr als humorlos. Es könnten sich ja auch Hessen bei uns beklagen, dass wir uns des Dialektes bedienen. Es ging uns nicht darum, persönlich jemanden anzugreifen, sondern eine Öffentlichkeit zu schaffen. Auch wenn das sicher ein hehres Ziel ist.

Gab es denn auch positive Reaktionen von Betroffenen?

Ja, wir haben positive Reaktionen von einem Tourettekranken bekommen. Und es ist ja auch nicht der Touretteverband insgesamt, der sich gegen uns gewendet hat, sondern in erster Linie der Vorsitzende. Ich halte es da mit Rudi Carrell, der gesagt hat: „Man muss über Behinderte lachen.“ Man darf Behinderte nicht in ein Glashaus setzen, dann traut sich irgendwann niemand mehr, über sie oder mit ihnen zu sprechen.

Und wo sind bei euren Sketchen die Grenzen?

Es sind die selbstauferlegten. Unser Kodex sagt, wenn es einer nicht machen will, dann machen wir es nicht. Da diskutieren wir gar nicht.

Habt ihr Vorbilder?

Ja, aber nicht in Deutschland. Meine Wurzeln sind eher Zucker/Zucker/Abraham (Anmerkung: Autoren- und Regieteam, die unter anderem den Film „Nackte Kanone“ gemacht haben) und Monty Python. Das ist meine Art von Humor. Ich fand Otto früher mal witzig, aber der hat sich auch nicht weiter entwickelt.

Eure Shows sind zu einem großen Teil improvisiert. Wie arbeitet ihr da?

Wir kennen uns beide so gut, dass wir uns leicht die Bälle zuspielen können. Ein Abend besteht vielleicht aus 20 Sketchen, die jeweils höchstens zwei Minuten lang sind. Der Rest des 90minütigen Programms sind Improvisationen. Wir haben beide den Anspruch, den anderen zum Lachen zu bringen, ihm einen guten Abend zu bereiten. Und das merken dann auch die Leute im Publikum. Das überträgt sich. Wir sehen uns als Dienstleister in Sachen guter Laune.

Was würdet ihr gerne mit Mundstuhl noch machen?

Ich würde wirklich gerne einen Kinofilm drehen. Den müsste aber ein amerikanischer Autor schreiben, der einen ähnlich schrägen Humor wie wir hat. Wie ich schon gesagt habe, ich stehe eben mehr auf Filme wie „Nackte Kanone“.

Aus der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, 18.12.2004