Durch eine Schenkelweiche
direkt in die Schrittpirouette


Die harmonische Verschmelzung mit dem Pferd
will an diesem Tag einfach nicht funktionieren

BAD BERLEBURG. (wp) Zum ersten Mal werde ich von einer Prinzessin ausgelacht. Sie steht in der Mitte der Reithalle, beobachtet meine ersten Schritte auf "Fantast" und scheint sich über den Anblick zu freuen. Ich will eine Passage reiten, aber das Pferd trabt weiter.
Ich bin zu Gast auf der Reitanlage von Nathalie Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Gemeinsam mit dem Pferdewirtschaftsmeister Jörg Jacobs will sie mir heute eine erste Dressurreitstunde geben. Ich saß schon öfter auf Pferden, aber immer auf solchen, die schon von alleine wussten, was zu tun ist.
Am liebsten galoppiere ich, weil ich mich dabei besser halten kann und die Kraft des Tieres so unmittelbar spüre. Mit "Fantast" sollte ich das aber besser nicht versuchen, meint die Prinzessin. "Er kann sehr schnell werden."
Die Stunde beginnt mit einer kleinen Demütigung. Ich muss einen Hocker benutzen, um auf das riesige Pferd zu klettern. "Wir benutzen den auch", beruhigt mich die Prinzessin. Ich glaube aber, sie grinst dabei. Beim zweiten Mal steige ich später ohne Hocker auf. Na gut, vielleicht nicht besonders elegant, ich kämpfe mich eher hoch.
Mein Pferd heißt "Fantast" und ist 18 Jahre alt. Ein Träumer scheint er aber nicht zu sein. Die Prinzessin ist früher mit ihm Grand Prix geritten, heute kümmert sich Jörg Jacobs um das Tier.
Mit vier Jahren saß Prinzessin Nathalie zum ersten Mal auf einem Pferd, mit dem Hochleistungssport hat sie 1995 begonnen. Kurz danach, mit 21 Jahren, gewann sie in der Meisterschaft der Junioren und jungen Reiter mit dem dänischen Team die Bronzemedaille.
"Dressurreiten kann man mit Ballett vergleichen", sagt sie. "Wir wollen mit wenig Einsatz das Pferd zum Tanzen bringen." Bei mir sieht es bestimmt so aus, als wenn mich das Pferd auf seinem Rücken tanzen lässt, wenn ich mich im Trab nicht im Sattel halten kann. Wahrscheinlich sind meine Reitversuche deswegen so amüsant für sie. Im Ballett wäre ich der passive Teil einer Hebefigur.
Prinzessin Nathalie stellt sich neben das Pferd und zeigt mir, wie ich beim Trab aus dem Sattel gehen soll. "Sie müssen die Beine durchdrücken und richtig hochkommen." Wenn das Pferd steht, bekomme ich das hin, aber wenn sich "Fantast" in Bewegung setzt, habe ich große Mühe alles unter Kontrolle zu bekommen. Die Zügel richtig halten und Kommandos geben, mit den Knien festklammern, die Füße in der richtigen Position im Steigbügel verankern und mit den Waden steuern. Konzentriere ich mich auf eine Sache, vergesse ich wieder eine andere. So fühlte sich vor zehn Jahren auch die erste Fahrstunde an, auch wenn ich "Fantast" heute nicht abwürge. Schließlich schaffe ich es doch, halbwegs akzeptabel im Trab eine halbe Runde in der Reithalle zu drehen.
In der Dressur gibt es rund 36 Lektionen - verschiedene Gangarten - die in einer Prüfung in einer genau festgelegten Anzahl und Abfolge abgerufen werden müssen. In der Kür können Reiter und Pferd eine eigene Zusammenstellung vorführen. Meine beiden Lehrer erklären mir zuerst die "halbe Parade", die Grundeinstellung im Dressurreiten. Das Becken wird nach hinten gekippt, das eigene Gewicht somit stärker in den Sattel gedrückt und die Zügel werden leicht angezogen. Das Pferd soll damit aufmerksam gemacht werden. Ich benutze die halbe Parade auch als Bremse.

"Dressurreiten kann man auch mit Ballett vergleichen",
sagt Prinzessin Nathalie

Anschließend probiere ich aus, mit ihm Achten zu gehen. Auch hier dauert es, bis ich dem Pferd mit Waden und Zügel die richtigen Anweisungen gebe. Er ist eben ein sensibles Tier. "Wenn ein Dressurreiter nur den Kopf nach vorne schiebt, verändern sich rund fünf Kilo, die auf das Pferd einwirken", erklärt Jörg Jacobs. "Das spürt das Tier."
Als ich schließlich die Schenkelweiche ausprobiere, geht er direkt in eine Schrittpirouette über. Die Schenkelweiche ist der Seitwärtsgang, bei dem das Pferd den Kopf gerade halten muss. Bei der Schrittpirouette bleiben die Hinterbeine stehen und das Pferd dreht sich um die eigene Achse - so wie ein sehr langsames Karussell. Warum einfach, wenn es auch schwer geht? Jetzt kann sich auch Jörg Jacobs das Lachen kaum verkneifen und ruft mir zu: "Das Pferd bekommt zu viele Informationen und entscheidet sich dann für etwas."
Und er entscheidet sich gegen mich. So als würde ich ein Orchester dirigieren, in dem "Fantast" jedes Instrument gleichzeitig spielen muss. Wenn ich ihm doch nur sagen könnte, was ich will. Aber meine Stimmbänder sind hier Beine, Hände und Körperhaltung, und die haben bisher viel zu selten sprechen müssen. Als ich Jörg Jacobs frage, ob ich mit meinen diffusen Kommandos etwas bei "Fantast" kaputt machen kann, beruhigt er mich: "Die Lektionen sind bei ihm so gefestigt, da passiert so schnell nichts."
Zuletzt versuche ich die Passage, eine versammelte Gangart. Das Pferd soll zuerst lostraben und dann mit einer halben Parade in die Passage gehen. Aber entweder läuft er ungerührt weiter oder er bleibt stehen. Ich schaffe es einfach nicht, mich mit den Knien so zu halten, dass ich mich auf Waden und Hände konzentrieren kann. Einmal gelingt es für vier Schritte doch. Es fühlt sich sofort viel filigraner an, als würde das Pferd ganz bewusst stolzieren.
Später erklärt mir Jörg Jacobs, wo es bei mir hakte. "Ihnen fehlte noch Gleichgewicht und Balance auf dem Pferd." Das muss gegeben sein, damit man in der Dressur weiterarbeiten kann. "Das Ideal ist erreicht, wenn Reiter und Pferd zu einer Einheit verschmelzen."
Wenn ich bei ihm in den Unterricht käme, müssten wir bei den Grundlagen anfangen. An der Longe kann er das Pferd steuern und der Reiter konzentriert sich allein auf seine Haltung. Jörg Jacobs würde mir sogar zutrauen, noch etwas im Dressurreiten lernen zu können. "Sie hatten ein Gefühl dafür, als das Pferd für ein paar Schritte eine Passage ging. Das ist schon ein Anfang." Wie lange es jedoch dauert, bis ich das Dressurreiten beherrsche, sagt er nicht.
"Dressur ist ein ästhetischer Sport und man darf eigentlich gar nicht sehen, was der Reiter macht", meint Prinzessin Nathalie. Davon bin ich sehr weit entfernt. Hinter jeder Leichtigkeit stecken viel Blut, Schweiß und Tränen. "Fantast" wusste wahrscheinlich, dass ich noch viel arbeiten muss. Er spürte, dass ich keine Ahnung habe, was ich mit ihm machen soll und nutzte das schamlos aus. Ich steige ab, versuche meine Beine aus ihrer O-Haltung zu bekommen und streichele ihm ein letztes Mal über den Hals.

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Reitstunde bei Prinzessin Nathalie. Die für Dänemark international
erfolgreiche Dressurreiterin erläuterte mir, dass "Fantast" durch
die Körpersprache des Reiters auf Informationen wartet.






Auf "Fantast" machte ich in der Fürstlichen Reithalle meine
ersten Versuche im Dressurreiten. Offenbar spürte
das Pferd jedoch, dass ich absolutes Neuland betrat.
Fotos: Peter Kehrle

 


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© Westfalenpost, 15. März 2008