Gestalten zu können
macht den Reiz aus

Dietrich Thier kennt zu jedem Fleckchen Wetter die Vergangenheit

Wenn einen dieser Mann durch die Stadt führt, ist es eine Zeitreise. Sein Blick geht in die Tiefen der Geschichte zurück. Dietrich Thier ist der einzige Kandidat, der nicht in Wetter lebt, aber er kennt von jedem Fleck die Vergangenheit. Dietrich Thier wuchs in Hagen auf, verbrachte aber einen Großteil seiner Jugend im Arbeiter- und Handwerkerviertel Schöntal und in der Freiheit. Dort besuchte er seine Großeltern. Damals standen dort noch weniger Häuser und mehr Schrebergärten. Sie hatten ein enges Familienverhältnis. Dann ging er nach Bochum, studierte Germanistik, Geschichte und Theologie, promovierte schließlich über die mittelalterliche Führungsschicht in Dortmund. "Wie eine Kommune funktioniert, hat mich damals an dem Thema interessiert."
1982 zog er nach Wetter, weil seine Frau eine Anstellung an der Hauptschule bekam. Auch der Historiker wollte Lehrer werden. 1987 fing er nach abgeschlossenem Referendariat jedoch zuerst in einer AB-Maßnahme im Stadtarchiv Wetter an. Als 1988 seine Frau starb, änderte sich sein Lebensplan. Sein Sohn war gerade fünf Jahre alt - für den musste und wollte er jetzt da sein. "Die Beine werden einem unter dem Körper weggerissen und man ist tot", sagt der 54-Jährige über das Gefühl nach dem Verlust seiner Frau. Kurz danach bekam sein Sohn eine Hirnhautentzündung und wurde fast bewegungsunfähig. Um ihn zu mobilisieren, gingen Vater und Sohn rund um den Harkortberg spazieren. Diesen Weg zeigt er jetzt und erzählt, wo sie zusammen an einem Aussichtspunkt frühstückten. Dort erklärte der Historiker damals seinem Sohn mit einem Fingerzeig Richtung Hagen, wo seine anderen Großeltern leben.
Dem Kind ging es nach und nach besser. Auch Dietrich Thier selbst wollte wieder ins Leben zurückkehren. In der Kindertagesstätte seines Sohnes lernte er seine zweite Frau kennen. "Man muss emotional frei sein, um etwas Neues zu beginnen. Wir hatten ja bereits für ein Leben geplant." Ihm half die Erfahrung, fünf Jahre zuvor den Verlust seiner Mutter verarbeitet zu haben. "Ich hatte gelernt, an einem Rückschlag nicht zu zerbrechen." Und er spürte die Verantwortung für sein Kind.
1990 bekam Dietrich Thier eine feste Stelle bei der Stadt. Später wechselte er ins Kulturbüro und kümmerte sich dort um städtische Veranstaltungen. 1994 verließ er Wetter wieder in Richtung Hagen. Sein Vater war schwer krank und Dietrich Thier hatte versprochen, ihn bis zu seinem Tod zu pflegen. Den Job in Wetter behielt er. 2001 wurde er zunächst im Fachbereich Schule, Sport, Kultur stellvertretender Leiter, 2004 schließlich Fachbereichsleiter.
"Ich bin nie in eine Partei eingetreten, weil ich kein Programm mit vollem Herzen bejahen konnte", erklärt Dietrich Thier. Die Arbeit in der Verwaltung sei zwar nicht von Parteien geprägt, aber seine Parteilosigkeit mache ihn noch unabhängiger. "Ich will mich so verhalten, wie es für die Bürger und nach meinem Befinden am besten ist." Dafür will er kontrovers bleiben. Das Motto leiht er sich von Friedrich Harkort: "Es kann und darf nicht alles beim Alten bleiben." Wie als Versprechen an sich selbst, nannte Dietrich Thier auch die Biografie so, die er vor kurzem über den "Vater des Ruhrgebietes" geschrieben hat.
Die Arbeit als Fachbereichsleiter sei ihm wichtig, erklärt der Kandidat, aber als Bürgermeister könne er eben mehr für die Stadt tun. "Ich spüre eine Verpflichtung. Ich habe das sichere Gefühl, etwas für Wetter erreichen zu können." Das habe auch nichts mit Geltungsbewusstsein oder Macht zu tun. "Bekannter als ich kann man auch als Bürgermeister nicht werden." Gestalten zu können, reize ihn an dem Amt. Er müsse sich dann nicht mehr über Entscheidungen ärgern, sondern wäre an ihnen maßgeblich beteiligt.
Wenn sich die Bürger gegen ihn entscheiden, will er das akzeptieren und nicht persönlich nehmen. Trotzdem sagt er auch: "Wenn ich nicht Bürgermeister werde, würde ich vielleicht denken, warum haben die Leute die Chance verstreichen lassen. Aber ich werde dann weiter hier arbeiten - mit wem auch immer."

 

HINTERGRUND

- Die Idee -
Spaziergang mit den Kandidaten

In Zeiten des Wahlkampfes werden die Politiker gefragt, was sie anpacken, gestalten oder anders machen wollen. Eine Antwort haben sie immer parat. Sie sind für Sachfragen gerüstet, jedes Wort sitzt. Wir wollten sie jetzt aus dieser Sicherheit locken und bei einem Spaziergang auf andere Dinge zu sprechen kommen. Was für Menschen sind die vier Anwärter, die in Wetter Bürgermeister werden wollen? Den Ort für die Begegnung bestimmten die vier Kandidaten selbst. Dr. Dietrich Thier zeigte einen Weg am wetterschen Harkortberg, den er immer mit seinem Sohn ging.

Im Wald auf dem Harkortberg fand Dietrich Thier
vor vielen Jahren Ruhe und neue Kraft.
Foto: Tim Meyer



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© Westfalenpost, 20. Oktober 2007