Langer Anlauf für
Sprung ins Rathaus
Elisabeth Gerlach musste schon früh erwachsen werden
WETTER. Der Himmel ist bedeckt, aber es regnet nicht. Elisabeth Gerlach packt ihr Handy ein und ist für den Spaziergang gerüstet. Raus aus Wengern, rein in den Wald. Bei jedem Windstoß fallen die Eicheln von den Bäumen. Sie zuckt nicht, als rundherum die Nüsse aufschlagen.
"Wir sind hier Schlitten gefahren und haben im Wald gespielt. Ich mag den dörflichen Charakter." Weit ist sie seitdem nicht gekommen. Elisabeth Gerlach ist in Wengern geboren und wohnt heute rund 100 Meter von ihrem Geburtshaus entfernt.
Die Jugend währte für sie nicht lange. Mit 19 Jahren musste sie schlagartig erwachsen werden, als ihr Vater starb. "Das war zu früh", sagt sie. Er hatte die Familie versorgt, jetzt mussten die fünf Kinder und die Mutter alleine für den Lebensunterhalt aufkommen. Ein Bruder ging frühmorgens Zeitungen austragen, Elisabeth Gerlach und ihre Zwillingsschwester nahmen jeweils drei Putzjobs an. So schlug sich die Familie durch. "Diese Zeit war prägend", erzählt die 49-Jährige. "Ich habe gelernt, dass ich immer bereit sein muss, für mich selber sorgen zu können."
Ihr Vater, selbstständiger Schneidermeister, gab das Interesse für Stoffe an die Zwillingstöchter weiter. Beide wurden Diplom-Ingenieurin für Textiltechnik und arbeiteten bei C & A. "Bis wir 25 Jahre alt waren, haben meine Schwester und ich alles zusammen gemacht", erzählt Elisabeth Gerlach. In der Schule die Namen zu vertauschen, haben die Zwillinge aber nie versucht. Verwechslungen gibt es trotzdem: "Wenn ich meine Schwester im Landtag besuche, werde ich grundsätzlich mit 'Guten Tag, Frau Präsidentin' begrüßt", sagt sie und lacht. Auf den Platz ihrer Schwester hat sie sich noch nicht geschummelt. Sie will lieber ins Rathaus.
In den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit ist sie immer mit der Stoppuhr durch den Nähsaal gelaufen und hat die Arbeit eingeteilt. "Wenn ich den Näherinnen eine Zeit vorgab, musste ich es genauso schnell machen können", erklärt sie. "Da bleibt man bodenständig." Bis sie Dreißig wurde, organisierte Elisabeth Gerlach dann auch Textilproduktionen für C & A im Ausland. Zuerst Jugoslawien, später Marokko. Eine Woche arbeitete sie in Essen, eine Woche im Ausland.
Dann kam das erste Kind und sie machte sich selbstständig. Sie nähte Messdienergewänder. Hausfrau und Mutter war für sie keine Option. "Nicht weil ich eine überzeugte Emanze bin", sagt Elisabeth Gerlach. "Ich wollte einfach immer für mich sorgen können." Diese Selbstständigkeit will sie an ihre Kinder weitergeben. Ein Mädchen soll einen Reifen wechseln können und ihrem Sohn brachte sie schon mit 14 bei, seine Wäsche selber zu waschen und zu bügeln.
Elisabeth Gerlach schaut sich während des Spaziergangs nicht oft um. Sie kennt diesen Weg. Ortsmarken erklärt sie nicht, danach muss man sie fragen. Sie konzentriert sich auf das, was sie erzählt. 22 Jahre ist sie in der Partei, drei Jahre im Rat: Sie weiß sehr genau, wie ihre politische Meinung in ein Gespräch einfließen kann. Es ist eben Wahlkampf. Die Bäume stehen hier auch noch, wenn die letzten Stimmen ausgezählt sind.
Das Schöne an der Politik sei, etwas durchzusetzen, dass man dann auch wirklich sehen könne. "Es muss in Wetter jemand führen, der eine klare Vorstellung hat, was passieren soll", sagt Elisabeth Gerlach. Ihre Berufsausbildung habe ihr dafür die Grundlagen mitgegeben. "Mit 250 Frauen im Schneidesaal zu arbeiten, war immer Druck. Aber wenn man die Probleme genau erklärt und kommuniziert, sind die Dinge zu lösen."
Auch wenn sie heute nicht mehr viel in ihrem Beruf arbeitet, die Werkstatt ist für sie ein Rückzugsort. "Wenn ich gestresst bin, setze ich mich an die Nähmaschine. Ich muss dann etwas Handwerkliches machen", erklärt die Politikerin. Oder sie fährt ein Wochenende weg, in den Wohnwagen auf Fehmarn. Dort wird eine Nacht über das Problem geschlafen und "dann ist auch wieder gut."
HINTERGRUND
- Die Idee -
Spaziergang mit den Kandidaten
In Zeiten des Wahlkampfes
werden die Politiker gefragt,
was sie anpacken, gestalten
oder anders machen wollen.
Eine Antwort haben sie immer
parat. Sie sind für Sachfragen
gerüstet, jedes Wort
sitzt. Wir wollten sie jetzt
aus dieser Sicherheit locken
und bei einem Spaziergang
auf andere Dinge zu sprechen
kommen. Was für
Menschen sind die vier Anwärter,
die in Wetter Bürgermeister
werden wollen?
Den Ort für die Begegnung
bestimmten die vier Kandidaten
selbst. Die Unionskandidatin
Elisabeth
Gerlach schlug einen Rundweg
entlang der Wengerner
Mühle vor.
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Sie ist längst aus dem Schatten der Zwillingsschwester
getreten:
die CDU-Kandidatin Elisabeth Gerlach.
Foto: Tim Meyer
Artikel als PDF-Datei
© Westfalenpost, 6. Oktober 2007
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