„Man muss teilen
und sich behaupten“

Karen Haltaufderheide braucht Blick auf Wiesen,Weiden und Wald

WETTER. Am Rand des Weges liegt eine Kuh auf der Weide und blutet. Schnellen Schrittes steuert Karen Haltaufderheide das Haus des Bauern an. Der ist jedoch auf einer Hochzeit. Später wird der Mann im Anzug nach seiner Kuh schauen und erzählen, dass sie gestern über vier Stunden kalbte.
Karen Haltaufderheide hat sich vor zwanzig Jahren ganz bewusst entschlossen, wieder in ihr Elternhaus zu ziehen. Selbst hat sie Schafe, Katzen, Ponys und eine Hündin. Das rund 160 Jahre alte Haus liegt abgelegen. "Hexenhaus nennen es manche", sagt sie. Sie braucht diesen Blick über Wald, Wiesen und Weiden.
Bis sie fünf Jahre alt war, lebte sie mit Eltern, Großeltern und fünf Geschwistern in dem Haus. Dann wurde es zu eng und sie zogen nach Herdecke. Vor 20 Jahren kehrte sie wieder zurück. Die vielen Geschwister waren für die Politikerin eine Schule: "Man musste teilen und sich behaupten. Das war sicherlich wichtig für mich." Karen Haltaufderheide hat heute selbst fünf Kinder, deren Freunde auch immer willkommen sind. "Bei meiner Großmutter stand immer die Haustür offen." Das übernahm sie. Ihre Eltern dagegen hatten einen engeren Familienbegriff. Von außen durfte kaum einer dazukommen.
Karen Haltaufderheide ist Geschäftsführerin des Grünen Kreisverbandes in Hagen, engagiert sich aber auch auf Landes- und Bundesebene. Beim letzten Sonderparteitag in Göttingen war sie nicht dabei, weil sie einen Auftritt mit der Kindermusical-Gruppe "Jenseits von Esborn" hatte. Wäre sie dort gewesen, hätte sie wie die Basis gestimmt. "Es ging nicht darum, sich aus Afghanistan zurückzuziehen, sondern den Einsatz an Bedingungen zu knüpfen", erklärt sie und meint, diese Prozesse und der Streit um Positionen mache die Grünen eben aus. Für sie stehe in der Politik immer die Sache und die Treue dem eigenen Gewissen gegenüber im Vordergrund. "Man darf seine Arbeit nicht immer danach hinterfragen, wie etwas in der Öffentlichkeit wirkt."
Basisnähe soll auch ihre Arbeit als Bürgermeisterin bestimmen. "Bürger und Verwaltung sollen sich nicht gegenüberstehen sondern einen Dialog führen", erklärt die Grüne. "Die Leute müssen das Gefühl haben, etwas mit entscheiden zu können."
Nach dem Abitur studierte Karen Haltaufderheide Philosophie und Germanistik. Als sie mit 20 Jahren das erste Kind bekam, brach sie das Studium ab. "Für mich war es wichtig, sehr intensiv bei meinen Kindern zu sein." Später begann sie Sozialwissenschaft im Fernstudium. Abends wenn die Kinder schliefen, setzte sie sich an ihre Bücher. Sie kam bis zur Abschlussprüfung. "Wir sind hierher gezogen und damit änderte sich meine Lebensperspektive. Hier waren viel Land, ein Garten, Tiere", erklärt die 47-Jährige. "Früher war es eine Schwäche von mir, Dinge nicht abzuschließen, weil mich etwas anderes interessierte." Das habe sie vor vielen Jahren erkannt und daran gearbeitet. Die Kinder waren ihr einfach wichtiger als die persönliche Entwicklung, erzählt sie. Als sie größer wurden, nutzte sie die Freiräume wieder für sich. Gerade hat sie ein neues Studium angefangen: Bildungswissenschaft und Bildungsmanagement.
Sympathisantin der Grünen wurde Karen Haltaufderheide 1985, als die sich für die Bäume auf der Bismarckstraße einsetzten. Neben dem Interesse für Umweltfragen engagierte sie sich dann im Jugendhilfeausschuss. Motor war, etwas für die eigenen Kinder zu erreichen. Parteimitglied wurde sie dann 1989. Seit 1999 sitzt sie im Rat.
"Man muss als Grüne Leidensfähigkeit mitbringen, weil man oft gegen die Wand läuft", erklärt sie und lächelt. Wenn die Grünen damals etwas sagten, war es Käse. Mit Sachargumenten konnten sie selten überzeugen. Später hätten jedoch oft die anderen Parteien ihre Ideen aufgegriffen und umgesetzt. Aber das sei ihr dann auch recht gewesen. "Es ist wichtiger, dass die Sache durchkommt. Es muss nicht unser Name darunter stehen", sagt sie.
Auch an Aufgaben hänge nicht ihr Leben, erklärt Karen Haltaufderheide. Sie tritt an, weil sie Bürgermeisterin werden will. Aber wenn man sie nicht wählt, mache sie eben etwas anderes. Vielleicht steht sie bei der nächsten Landtagswahl auf einem aussichtsreichen Platz auf der Liste. "Ich könnte mir auch vorstellen, als Entwicklungshelferin irgendwo hinzugehen und alles hinter mir zu lassen." Nur eine Sache stehe immer für sie an erster Stelle: die Familie.

 

HINTERGRUND

- Die Idee -
Spaziergang mit den Kandidaten

In Zeiten des Wahlkampfes werden die Politiker gefragt, was sie anpacken, gestalten oder anders machen wollen. Eine Antwort haben sie immer parat. Sie sind für Sachfragen gerüstet, jedes Wort sitzt. Wir wollten sie jetzt aus dieser Sicherheit locken und bei einem Spaziergang auf andere Dinge zu sprechen kommen. Was für Menschen sind die vier Anwärter, die in Wetter Bürgermeister werden wollen? Den Ort für die Begegnung bestimmten die vier Kandidaten selbst. Karen Haltaufderheide schlug für den Spaziergang einen kurzen Weg rund um ihr Haus in Esborn vor.

"Man muss als Grüne Leidensfähigkeit mitbringen",
sagt Bürgermeisterkandidatin Karen Haltaufderheide.
Foto: Tim Meyer



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© Westfalenpost, 13. Oktober 2007