Sicherheit steht bei ihr
nicht im Vordergrund

Sonja Heller arbeitet als freiberufliche Infografikerin, Illustratorin und Kulturplanerin / Zeit für die Kunst bleibt ihr nur noch selten

Wer sich entscheidet, als Künstler zu leben, dem darf Geld nicht so wichtig sein. Sonja Heller — Künstlerin, Infografikerin und Illustratorin — weiß das. Die eigene Kreativität auszuleben, war ihr immer wichtig, aber sie suchte nach Wegen, die auch Geld in die Haushaltskasse bringen.
Mit dem Malen hat Sonja Heller schon als junges Mädchen angefangen — ganz klassisch. „Ich hatte schon früh das Gefühl, ich muss das machen", sagt sie. Trotzdem ging sie nicht auf eine Kunsthochschule, sondern begann in Dortmund das Studium „Objekt-Design", weil ihr eine künstlerische Tätigkeit allein nicht gereicht hätte.
Beim Objekt-Design reizte sie der künstlerische Ansatz. Weil dann aber immer wieder die Rede davon war, dass die Berufsaussichten anschließend schlecht seien, brach sie das Studium ab und startete eine Ausbildung zur Infografikerin. Das war vor zehn Jahren, und es hieß damals, Infografik würde in den nächsten Jahren boomen, sagt die 40-Jährige.

Arbeit muss sinnvoll sein

Aber auch wenn sie heute als freie Infografikerin gut beschäftigt ist, blieben die Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland übersichtlich. „Ich scheine ein Händchen für diese Nischenberufe zu haben", sagt sie und lächelt. „Aber Sicherheit steht bei mir nicht im Vordergrund." Sie war bereit, die Steine auf dem freiberuflichen Weg in Kauf zu nehmen.
Sonja Heller ist es wichtig, in ihrer Arbeit einen Sinn zu sehen. Vielleicht entschied sie sich auch gegen ein Leben als Vollzeit-Künstlerin, weil sie in ihren Arbeiten einen sehr persönlichen Ansatz verfolgt. „Ich wollte mich nicht nur um mich selbst drehen."
So wie es jetzt ist, soll es jedoch nicht bleiben — gar keine Zeit mehr für die Kunst zu haben. Neben ihren Jobs als freiberufliche Infografikerin und Illustratorin ist sie jetzt auch Projektleiterin des Themas Afrika auf der Landesgartenschau 2010 in Hemer. Kulturplanung interessiere sie eben auch, weil sie dort aktives Kulturschaffen und die eigene Kreativität bündeln könne. Zu viel wird ihr das alles nicht. „Ich möchte nicht an Langeweile sterben", sagt sie und lächelt.
Wenn sie doch Zeit für die Kunst findet, arbeitet sie seit sieben Jahren an ihrer „visuellen Poesie" — Objekte, in denen sie Bilder und Texte miteinander verwebt. Diese Texte nennt sie szenische Miniaturen. Viel Handlung gibt es dort nicht, aber es sind Zeilen voller irritierender Bilder.
Wenn sich Sonja Heller wieder an den Schreibtisch setzt, um Geld zu verdienen, arbeitet sie zwar auch mit Bildern und Texten, aber unter anderen Vorzeichen. „Bei Infografiken geht es nicht vorrangig um einen kreativen, bildhaften Ausdruck, sondern darum, die Dinge möglichst präzise darzustellen." Sie interessiere der journalistische Ansatz — Material- und Datenquellen so zu bearbeiten, dass mit Text und Bild Informationen vermittelt werden können. Einige Jahre war sie bei Globus Infografik/dpa angestellt und zum Beispiel für alle Infografiken zum 11. September 2001 verantwortlich. Dabei hieß es, schnell zu arbeiten. Weil alles aktuell sein musste, recherchierte sie selbst, wie die Treppenaufgänge des World Trade Centers aussahen und wie die Menschen die Aufzüge erreichen konnten.
Kreative Nischen findet sie bei ihrer Arbeit, wenn es nicht um Tagesaktualität geht und die Themen Freiräume bieten. Dann benutzt sie gern abfotografierte Miniaturfiguren oder knetet auch mal einen Mund, um Kindern den Body-Mass-Index zu erklären.
Viele freischaffende Künstler fahren Taxi, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wer keine Absicherung in der Hinterhand habe, könne sich eben nicht so einfach für den Künstlerberuf entscheiden. Neben den laufenden Kosten entstünden ja noch weitere für die Finanzierung der Kunst, Material oder ein Atelier. Und vielleicht sei die soziale Situation von einigen Künstlern auch schlecht, weil sie vergessen würden, wie wichtig die Selbstvermarktung ist, meint Sonja Heller.

„Mein Talent setze ich dort ein, wo es geht. Das schöpfe ich aus.
Wenn dann noch Zeit für die Kunst bleibt, ist das schön."

Sonja Heller

Es gebe heute eben keine Auftragskünstler mehr bei Hofe, sondern man müsse sich als Unternehmen begreifen. „Die Akademien fangen langsam an, das auch zu vermitteln." Und wer heute gut verkaufen will, der müsse noch den Zeitgeist treffen.
Hier, auf dem Land, habe Kunst sowieso einen anderen Stellenwert. Die Unterstützung von städtischer Seite und das Interesse des Publikums seien eher mager. Ein paar Jahre lang betrieb sie mit Künstlerkollegen An der Stadtmauer 2a in Menden einen Schauraum, in dem sie ihre Arbeiten zeigten. Aber das Projekt scheiterte, weil die Resonanz einfach zu gering war. Die Vernetzung unter den Künstlern ist geblieben, und sie treffen sich bis heute jeden Mittwoch zum Gedankenaustausch und jeden ersten Mittwoch im Monat zu einem offenen Künstlerstammtisch im Museumskeller. „Die Gespräche sind mir wichtig und auch für die eigene Arbeit inspirierend."
Sonja Heller ist damit zufrieden, wie sie ihr Leben eingerichtet hat. „Mein Talent setze ich dort ein, wo es geht. Das schöpfe ich aus. Wenn dann noch Zeit für die Kunst bleibt, ist das schön." Aber vielleicht hätte sie an die Börse gehen sollen, um in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen, sagt sie und lächelt. Dann bliebe mehr Zeit für Kunst.

Fotos: Marcel Näpel


Artikel als PDF-Datei

© Westfalenpost, 16. September 2008