Sie machen den Dreck weg

Cornelia Ferschen putzt im Krankenhaus und
Georg Simon reinigt Mendens Abwasserkanäle

Harte Arbeit, bescheidenes Gehalt. Kanalarbeiter und Putzfrauen machen unseren Dreck weg. Ihr Job geht auf die Knochen. Und für die Erholung im Urlaub muss erst gespart werden. Wir haben zwei Saubermacher bei ihrer Arbeit begleitet.
Als Georg Simon die Abdeckung zum Pumpenschacht öffnet, steigt ein süßlich stechender Geruch auf. Kollege Klaus Peters kontrolliert mit einem Messgerät die Luftqualität, dann setzt Georg Simon seinen roten Helm auf und steigt mit einer Halterung gesichert in die Tiefe. „Damit nichts passiert, falls ich ohnmächtig werde." In Abwässern entstehen sauerstoffverdrängende Gase.
Georg Simon arbeitet seit 27 Jahren beim Betriebshof. Zuerst beim Straßenbau und seit 19 Jahren ist er Vorarbeiter für die Kanalunterhaltung. Ihm macht die Arbeit Spaß, weil sie vielseitig ist.
Unten, auf einer Plattform im Pumpenschacht, nimmt der 48-Jährige den Schaber in die Hand und kratzt das Fett von den Wänden — Essenreste, Rückstände vom Spülwasser, Friteusenfett. Zentimeterdicke Schichten plumpsen in die braune Brühe.
Wie hier im Wohngebiet Pater-Kolbe-Straße müssen von den Männern der Kanalunterhaltung alle elf Pumpstationen und Regenüberläufe in Menden kontrolliert und gereingt werden. Außerdem entleeren sie Schmutzfänger und überprüfen Abwasserrohre mit einem Spiegel.
Gelernt hat Georg Simon Former beim Eisenwerk Rödinghausen, wollte den Job aber nicht weitermachen, weil er keine Perspektive sah. „Mir war die Arbeit zu stinkig und zu dreckig", sagt er.

„Das Körperliche an der Arbeit ist über die Jahre
mehr geworden. Das geht auf die Knochen."

 Georg Simon

Am nächsten Tag stehen Arbeiten am alten K 1, am Schwarzen Weg, an. Georg Simon schaltet seine Helmlampe ein und geht gebückt in den 1,10 Meter hohen Kanal. Drei Stunden lang — unterbrochen von kurzen Zigarettenpausen — schneidet er mit einer Säge Wurzeln ab, die durch Risse in den Kanal hineingewachsen sind. Im Innern des 200 Meter langen Bauwerks, flackert seine Lampe auf.
„Das Körperliche an der Arbeit ist über die Jahre mehr geworden. Das geht auf die Knochen", sagt Georg Simon. Irgendwann stoße er sicherlich an seine Grenzen. Dafür kommen rund 1 800 Euro auf sein Konto. „Damit muss man schon haushalten." 
Aber wenn er seine Karte stempelt, legt er alles ab. Zur Entspannung liest er — gerade sind es „Die Säulen der Erde" von Ken Follett. Und wenn er mal ganz raus muss, fährt er mit seiner Frau und den drei erwachsenen Kindern zu ihrem Wohnwagen bei Cloppenburg. Aber wirklich oft kann Georg Simon nicht abschalten. „Ich muss immer etwas um die Finger haben."
Ortswechsel. Ein Kind schreit und auf dem Gang steht ein blauer Wagen voller bunter Eimerchen, Putzlappen, Mülltüten und einem gelben Schild — „Achtung Rutschgefahr". Cornelia Ferschen klopft an die Tür, wünscht einen Guten Morgen und geht direkt ins Badezimmer. Zuletzt wischt sie mit einem Mopp den Raum — vorsichtig am Kinderbett vorbei und neben der jungen Mutter, die mit müden Augen am Frühstückstisch sitzt.

„Zu putzen, hat mir nie etwas ausgemacht.
Mir gefällt die Arbeit."

 Cornelia Ferschen

Um kurz vor 7 Uhr hat Cornelia Ferschen angefangen, die Wöchnerinnenstation im St.-Vincenz-Krankenhaus zu putzen. Bis 10.15 Uhr muss sie alles geschafft haben.
Seit Juni 2006 arbeitet die 43-Jährige als Reinigungskraft im Krankenhaus — sechs Tage die Woche. Auf der Wöchnerinnenstation genießt sie die Atmosphäre und die glücklichen Menschen. „Zu putzen, hat mir nie etwas ausgemacht. Mir gefällt die Arbeit."
Mit 21 Jahren bekam Cornelia Ferschen ihr erstes Kind, als sie 25 war, tummelten sich zwei Mädchen und ein Junge in ihrer Wohnung. Vor elf Jahren trennte sie sich dann von ihrem Mann und musste sich allein um alles kümmern. Als die Kinder in der Schule waren, arbeitete sie in einer Fabrik oder mistete Ställe aus. Das Geld reichte nicht und die Familie bekam Sozialhilfe. Vor zwei Jahren wurde Cornelia Ferschen bewusst, dass sie an ihre Rente denken muss. Und sie wollte nicht mehr von Hartz-IV abhängig sein. „Es ist demütigend."
Heute muss die Familie mit 800 Euro von zwei Putzjobs und 300 Euro Kindergeld auskommen. Eigentlich stünden ihr noch Hartz-IV-Leistungen zu, aber Cornelia Ferschen will das Geld nicht. Sie komme auch so zurecht und schaffe es sogar, sich zweimal im Monat einen Abend mit einer Freundin zu gönnen. „Wir ackern die ganze Woche und wollen auch noch was vom Leben haben", sagt sie.
Nach dreieinhalb Stunden ist Cornelia Ferschen mit der Station fertig. „Das Fitnessstudio kann ich mir sparen." Für ein paar Stunden fährt sie nun in ihre Wohnung nach Ardey, bevor sie am Nachmittag die Mendener Sparkasse putzt.
Aber ab morgen hat sie erstmal zwei Wochen Urlaub. Sie freut sich darauf, einfach nur rumhängen zu können. Nächstes Jahr würde sie gerne mal wieder wegfahren. Vielleicht in die Türkei, wie vor acht Jahren. „Aber dann muss ich erstmal sparen."

Im alten Kanal 1, am Schwarzen Weg, schneidet Georg Simon drei Stunden lang — nur unterbrochen von kurzen Zigarettenpausen — mit einer Handsäge die Wurzeln ab, die durch Risse in den Kanal hineingewachsen sind. Seit 27 Jahren arbeitet er beim Städtischen Betriebshof.
Foto: Marcel Näpel

Zu putzen, hat Cornelia Ferschen nie etwas ausgemacht.
„Ich will nichts anderes machen. Mir gefällt die Arbeit."
Foto: Julian Gebhardt

 

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© Westfalenpost, 13. September 2008