Kulturgeschichte bewahren

Martin Netter besitzt wahrscheinlich die weltweit größte Sammlung von Science-Fiction-Requisiten

Gleich am Eingang liegt ein Hund in einem Glaskasten. Er ist in ein Metallgestell gezwängt, an der Seite steht „Biohazard“. Es ist Porthos, der Hund von Captain Archer, der behandelt werden muss, weil er sich mit einem Virus infiziert hat. Hinter ihm, in einer riesigen Halle, stehen weitere Originalteile aus dem Star-Trek-Universum. Eine Wand gibt sogar den Blick in die Weiten des Weltraums frei – zumindest so, wie es im Film gemacht wird: Ein Teppich simuliert den Sternenhimmel. Und darum geht es Martin Netter mit seiner Ausstellung. Er will einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. „Man soll dahin schauen können, wo noch nie ein Mensch zuvor hingeschaut hat“, sagt er und lächelt.
Angefangen hat der 49-Jährige Anfang der 90er Jahre mit Science-Fiction-Merchandise. Er hatte einen Laden in Berlin und begleitete daneben jahrelang eine Star-Trek-Ausstellung in Europa, betrieb dort einen Shop mit Fan-Artikeln. Als 2006 bei Christie’s in New York Originalrequisiten von Star Trek versteigert wurden, schlug Martin Netter zu. Außerdem erwarb er noch viele Objekte der Produktionsfirma Paramount Pictures, weil die ihr Archiv auflösten. Acht große Container hat er über den Atlantik verschiffen lassen. „Ich möchte nicht wissen, was ich für meine Sammlung ausgegeben habe“, sagt Martin Netter. „Dann könnte ich nachts nicht mehr schlafen.“ Ein bisschen Wahnsinn gehört bei einem Fan eben dazu. Und dafür sagt er heute von sich, die weltweit größte Sammlung von Science-Fiction-Objekten, vor allem an Star-Trek-Originalrequisiten, zu besitzen.
In der Halle in Lauenau, wo er seit Mitte Mai etwa fünf Prozent seiner Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich macht, stehen etwa Borg-Figuren, die Rückwand eines Klingonen-Raumschiffes, Teile der Konsole des NX-01, Make-Up-Vorlagen, Waffen oder auch die Uniform von Captain Jean-Luc Picard, die für den Schauspieler Patrick Stewart etwas ausgepolstert werden musste, weil er sonst zu schmächtig ausgesehen hätte. „Das wusste ich selbst nicht“, sagt Martin Netter. Und das will er seinen Besuchern zeigen, ihnen diese Geschichten erzählen.
Das Besondere bei Star Trek sei gewesen, dass bestimmte Objekte immer wieder verwendet wurden, denn 30 Jahre lang habe man bei Paramount das Archiv gepflegt. Eine alte Requisite, ein bisschen Farbe, ein paar neue Knöpfe, schon war die Konsole für an anderes Raumschiff fertig. Deswegen bewundert Martin Netter auch Menschen wie den Make-Up-Spezialisten Michael Westmore, der viele der außerirdischen Charaktere schuf. Es sind die Bastler, die für Martin Netter die wahren „Genies“ sind, weil sie ein komplettes Universum aus Holz, Plastik, Pressspan und Aluminium schufen, bevor es Computeranimationen gab. „Ich möchte ein Stück Kulturgeschichte für die Nachwelt sichern“, sagt Martin Netter. In Amerika würden sie ihn „the keeper“, den Bewahrer nennen – oder vielleicht den verrückten Deutschen.
Rolf Giesen, Filmwissenschaftler und Science-Fiction-Experte, sagt über die Sammlung von Martin Netter, dass diese keine interdisziplinären Ansätze habe oder interkulturelle Fragestellungen verfolge, wie sie ein Museum zu leisten hätte. Aber Fans wie Martin Netter würden Objekte sichern, an denen Museen oft vorbeigingen. Nicht zuletzt, weil hier immer noch zwischen E- und U-Kultur unterschieden werde und das Populäre hintenan stehen müsse. „Ohne diese Menschen würde ein Teil der Kultur nicht bewahrt werden.“ Trotzdem sei diese Sammlung für den Fan vor allem ein Fetisch, die für ihn einen magischen Bezug habe.
„Wer träumt als Kind nicht davon mit einem Raumschiff loszufliegen“, sagt Martin Netter. Das ist zwar heute nicht mehr sein Plan, aber seine Idee kommt diesem schon relativ nah. Martin Netter hofft darauf, Menschen mit dem nötigen Geld zu begeistern, ein komplettes Raumschiff einzurichten, auf dem man dann auch übernachten könnte. Deswegen sei er auch so an Setfotos und Bauplänen interessiert, um alles original rekonstruieren zu können. Die Originalrequisiten habe er sowieso nahezu komplett. Rund fünf Millionen Euro würde der Bau des Schiffes wohl kosten. Und das sei dann eine sehr exklusive Angelegenheit, denn wenn man weiter Publikum durch das Objekt schleusen würde, litten die Requisiten doch zu sehr. Aber er hätte auch kein Problem, seine Sammlung komplett zu verkaufen, wenn es jemanden gebe, der seinen Traum weiterverfolgt. „Ich bin nur der Bewahrer, nicht der Besitzer“, sagt Martin Netter und lächelt.  Vielleicht gibt es dann irgendwann doch noch ein richtiges Star-Trek-Museum.

 

 

Martin Netter

 

Fotos: Tim Meyer

 

ddp, 20. Juli 2009